Ungewöhnlicher Gottesdienst zum 50-jährigen Bestehen der Kantorei Böblingen

Zwei Chöre im intensiven Dialog


von JAN RENZ; Böblinger Kreiszeitung vom 18.März 2009


Für die Böblinger Kantorei war der Sonntag Auftakt einer ganzen Reihe von Festkonzerten.
Quelle
Foto: Winkler; Böblinger Kreiszeitung

Böblingen - Auf dem Schlossberg, über den Dächern von Böblingen, in der Stadtkirche findet ein ungewöhnlicher Gottesdienst statt: Man feiert das 50-jährige Bestehen der Böblinger Kantorei. Der Chor eröffnet die aufwühlende Stunde mit Heinrich Schützens "Lobe den Herren, meine Seele", mächtig und durchsichtig klingt das.

Die Kantorei hat der Chorleiter Eckhart Böhm vor sich, in seinem Rücken, auf der Empore der Stadtkirche, befindet sich der Chor der Johanneskirche Sindelfingen, der in diesem Jahr ebenfalls fünfzig wird. Das Zusammenwirken der beiden Vokalensembles an diesem Sonntag (und eine Woche zuvor in Sindelfingen) ist ein beeindruckendes Erlebnis: Zwei große Chöre treten in einen intensiven Dialog. Dekan Bernd Liebendörfer sprach von einer "wunderbaren Kooperation".

Zwei Chöre, zwei Pfarrer. Dr. Friedemann Richert von der Johanneskirche sprach die Gebete, Bernd Liebendörfer die Predigt. "Wir feiern das 50-jährige Bestehen der Kantorei, eine großartige Tradition", sagte Liebendörfer eingangs. Er sprach von der "unangefochtenen Qualität" des Vokalensembles. "Wir alle danken Ihnen für den wertvollen Dienst". Die große Gemeinde unterstrich diesen Dank mit spontanem Applaus. Friedemann Richert sprach wiederholt von der "himmlischen Gabe der Musik".

Ganz ungetrübt war dieses Feststunde nicht, sie konnte es nicht sein: Zwei Gefühle prägten diesen Gottesdienst: Freude über 50 Jahre Kantorei und die musikalischen Darbietungen, Trauer über die Ereignisse der vergangenen Woche. "Wir sind geschockt, betroffen, gelähmt durch den Amoklauf in Winnenden", sagte Liebendörfer. Der flüchtende Täter kam durch Böblingen, der Pfarrer sprach von der "absoluten Grausamkeit bei uns". In seiner 20-minütigen Predigt ging er von einem Text des Lukas-Evangeliums aus und artikulierte die Betroffenheit der Menschen. Im Anschluss an die Predigt hörte man César Francks "Psalm 150", dessen Stil sich überraschend stark an Wagners "Parsifal" anlehnt. Die beiden Chöre sangen durchweg konzentriert, auf Konzertniveau. Rheinbergers "Vater unser" rundete eindringlich den Gottesdienst ab. Für die Böblinger Kantorei war er der Auftakt einer ganzen Reihe von Festkonzerten. Der Leiter des Chores der Johanneskirche, Michael Kuhn, saß an der Orgel. Zu Ende ging der Gottesdienst mit dem Kanon "Dona nobis Pacem", den die Chöre zusammen mit der Gemeinde gestalteten. Anschließend verweilte man bei Kaffee, Saft, Sekt und Gebäck.